Gastkommentare von Peter Flubacher (Unser Philosoph)

10. Juli 2021

 

Gastkommentar von
Peter Flubacher

Wo immer es darum geht, politische, weltanschauliche, gesellschaftliche... Entwicklungen aufzuarbeiten und sich darüber Gedanken zu machen, meldet sich "unser Philosoph" zu Wort. Diesmal - nach denkwürdigen Abstimmungen in der Schweiz - zum Wert und Zustand von Demokratien. Eine vierteilige Serie.

 

Demokratie

(4. und letzter Teil)

Politische Entscheidungen  (Bild; 3Sat - Printscreen)
Politische Entscheidungen (Bild; 3Sat - Printscreen)

 

Rationale Entscheide: Politiker die ihre Entscheidungen nicht auf dem vorhandenen Wissen (Wissenschafts-konsens) gründen, sondern nach der geltenden Stimmung, sind schädlich und gefährlich für das Gemeinwohl, es ist beschämend für die Wähler, solche Politiker zu wählen, ja es zeigt eine unreife Gesellschaft mit einem Bildungs- oder Charakter-Defizit. Während beim Klimawandel der Wissenschaftskonsens, wenn auch nicht in jedem Detail vorhanden ist, hat er bei der Pandemie in vielen Fragen gefehlt, weil die Forschung viel Zeit braucht. Das ist aber kein Grund, die Wissenschaft in Frage zu stellen. Es ist das beste Wissen, dass verfügbar ist, auch wenn es keine absolute Wahrheit gibt.

 

 

Priorität Macht: Dass wir im letzten Jahr weltweit knapp $2000 Mia. für das Militär ausgegeben haben ist irre, davon fallen allein 39% auf die USA. Es zeigt, dass wir uns von anderen Tieren nicht wesentlich weiterentwickelt haben (Silberrücken-Syndrom) Macht über andere ist prioritär, v.a. bei den Gross-Staaten. Das Militär dient entweder Macht über andere zu erlangen oder zu erhalten oder sich dagegen wehren zu können. Im Unterschied zu anderen Tieren haben wir noch das Geld erfunden, das erlaubt «Macht» zu speichern. Macht fördert die Möglichkeit Geld zu vermehren und Geld fördert die Macht.

 

 Containerhafen in Qingdao, China  Der Anstieg der Importe hat Experten überrascht.  (Foto: dpa)
Containerhafen in Qingdao, China Der Anstieg der Importe hat Experten überrascht. (Foto: dpa)

 

Auch wenn ich nicht im chinesischen Macht-System leben möchte, muss ich anerkennen, dass wir im Wettbewerb politisch und wirtschaftlich immer im Nachteil sein werden gegen diese kapitalistische Diktatur. Dies trifft besonders für die EU zu, wo jeder einzelne Staat bei wichtigen Entscheiden sein Veto einlegen kann. Wenn es China gelingt, z.B. durch monetäre, medizinische oder wirtschaftliche Hilfe einen dieser Staaten zu «erpressen», wird nie ein Entscheid gegen China möglich sein. (z.B. Ungarn, u.a. chinesische Universität) Eine beunruhigende Erkenntnis.

 

Gewerbezeitung  (Foto:Bild: zVg)
Gewerbezeitung (Foto:Bild: zVg)

 

Lobbyismus: Nichts gegen einen ausgewogenen Lobbyismus, der gehört zur Demokratie. Man darf sich aber nicht wundern, wenn sich Wähler von Politikern abwenden, wenn eine Demokratie zur Lobbykratie wird. Die Lobby-Budgets haben ein Mass erreicht, das an Korruption grenzt. Die Politiker fördern diese Entwicklung meist, indem sie versuchen Transparenz zu verhindern, besonders auch in der Schweiz. Erst massive Forderungen von NGOs scheinen langsam etwas zu bewegen. In der Schweiz sind die Milizpolitiker besonders prädestiniert, selber die Lobby-Interessen wahrzunehmen. (z.B. der frühere SVP-Präsident Albert Rösti präsidiert Swissoil, den Verband der Brennstoffhändler) Sie werden kaum gewählt von den Lobbys angeworben und sammeln u.a. VR-Mandate. Glücklicherweise machen nicht alle mit, aber viele v.a. von den bürgerlichen Parteien. In der direkten Demokratie, können parlamentarische Entscheide zwar durch Referendum und Initiative korrigiert werden. Nur wird auch hier der Lobby-Einfluss durch die Finanzierung von Kampagnen nicht offengelegt. (z.B. KVI und CO2-Gesetz)

 

 

Demokratien sterben langsam

 

Autokraten und Möchtegern-Autokraten haben längst gelernt, dass viele kleine Schritte der beste Weg sind, um die Demokratie und mit ihr auch die Gewaltenteilung zu untergraben – zum Beispiel in Venezuela, der Türkei, Nicaragua, Bolivien, Polen und Ungarn. Auch in Brasilien ist es eher unwahrscheinlich, dass die Demokratie auf einmal und mit einem großen Knall stirbt. Die grösste Gefahr besteht vielmehr in ihrer langsamen Erosion, als Resultat einer ausgeklügelten Strategie,die jeden Schritt in Richtung Machtkonzentration als eine Abwehr gegen Bedrohungen darstellt – sei es eine angebliche internationale linke Verschwörung, vermeintlich kommunistische Migranten aus Venezuela, opponierende Abgeordnete, die nicht bereit sind, einen wichtigen Reformvorschlag zu unterstützen, ein korrupter Richter oder eine Zeitung, die einmal unabsichtlich eine Falschinformationen druckt. Aktuell kann man das auch in Belarus beobachten. Es gibt da viele klandestine Wege zur Durchsetzung der eigenen Macht.

 

Wir nähern uns langsam dem Zerfall vieler Demokratien, gut wenn noch einige bestehen bleiben. Ich bin mir bewusst, dass das eine sehr eigenwillige Betrachtung der Welt ist, ich sehe aber keinen überzeugenden Grund, diese zu ändern.                                                                                Peter Flubacher

27. Juni 2021

 

Gastkommentar von
Peter Flubacher

 

Demokratie

(3. Teil)

 

Wer die Kostenwahrheit ablehnt, weil sie sozial ungerecht ist, Verbote aber ablehnt, weil er die «Öko-Diktatur» fürchtet und Anreize nur sehr sparsam einsetzen will, weil sie zu viel Kosten und nach Steuer-Erhöhungen rufen, wartet tatenlos auf den Klimakollaps!

Wir stehen vor den Kipppunkten (unberechenbare Veränderung, die nicht mehr Rückgang gemacht werden kann, eine unaufhaltbare Kettenreaktion kommt in Gang. Die Erwärmung ist nicht mehr zu stoppen), wenn wir nicht bereits daran sind sie zu überschreiten.

(Bild: KGV, Zürich)
(Bild: KGV, Zürich)

Carl Friedrich von Weizsäcker empfahl 1978 zur Verkleinerung des ökologischen Fussabdrucks eine «demokratische Askese».Das verzichten wollen solle zum allgemeinen Ideal und zur generellen Gewohnheit werden. «Die Entwicklung neuer Formen der Selbstbeherrschung wird für die Zukunft unerlässlich sein.» Mit seiner Konsum-Askese forderte von Weizsäcker einen Bruch mit der westlichen Lebensart. Wie wir leicht feststellen können, sind 90% der Menschen unserer westlichen Wohlstands-Gesellschaft dazu nicht bereit. Nicht zuletzt weil die Werbung ihnen täglich einredet was sie alles konsumieren müssen um ihren Status zu beweisen. Wo sich die individuellen Vorteile und die Partikularinteressen vor dem Gemeinwohl durchsetzen, hat die Demokratie einen schwierigen Stand. Die Gruppenkohäsion findet nicht mehr auf der Staatsebene, schon gar nicht auf der globalen Ebene, sondern nur noch auf der Partikularebene statt. Der Parlamentarier wird zum Händler von Interessen, der Stimmbürger in der direkten Demokratie rechnet sich aus, was ihm am wenigsten kostet und den höchsten Nutzen bringt. Das ist in einer kapitalistischen Gesellschaft leicht nachvollziehbar ja geradezu normal und wird kaum in Entscheiden münden, die im Sinne des langfristigen Gemeinwohls sind. Die Bewältigung des Klimawandels kann aber nur noch mit einer globalen Kohäsion bewältigt werden. Die 10 bis 20% der Parlamentarier und Bürger, die das Gemeinwohl verfolgen, reichen nicht.

Grönlands Eisschild  (BIld: NZZ Imago)
Grönlands Eisschild (BIld: NZZ Imago)

(Grönlandeis, Permafrost Sibirien, Verschwinden des Regenwaldes in Brasilien, Versauerung der Meere usw. ). Grönlands Kipppunkt könnte schon erreicht sein. Laut Boers und Rypdal von der Arctic University of Norway befindet sich Grönlands Eiskappe quasi direkt am Übergang zwischen stabilem Zustand und Teufelskreis. Die Zeit drängt, vielleicht sind wir schon zu spät!

Eine «Öko-Diktatur» kann sich aber keine Regierung leisten, sie würde abgewählt, so schreiten wir sehenden Auges in die Katastrophe. Für uns Alten kein Problem, sie kommt noch nicht morgen. Die Generation Z aber ist zu bedauern, sie werden eine traurige Zukunft haben, wie wir sie uns kaum vorstellen können. Neben vermehrten Hitzeperioden, Überschwemmungen, Trockenheit, Felsstürzen, Versauerung der Meere usw. werden sie hunderten Millionen Klima-Flüchtlingen gegenüber stehen. Werden sie dieses Problem mit Mauern, Stacheldraht und Maschinengewehren lösen, es hat ja noch genug Platz im Mittelmeer? Oder werden sie sie aufnehmen, dann wird es eng, leben kann man dort wo sie herkommen jedenfalls nicht mehr?

Leider würden auch die Grünen an der Regierung die notwendigen Massnahmen nicht zeitgerecht umsetzen können, das ist das Problem, des notwendigen politischen Konsens der faulen Kompromisse der die Demokratie fordert. Kompromisse sind selten optimal, da Interessen gegen Interessen um den Sieg kämpfen, wer sich durchgesetzt  hat ist die Frage, wer nachgibt gilt als Looser. Das dient der Sache meistens nicht. Der Sieger, in der Regel der Skrupelloseste, will seinen Sieg verkaufen. Das hat zur Folge, dass fast immer schlechte Kompromisse aus gegensätzlichen Interessen das Resultat sind. Daraus folgen meistens Massnahmen, die wenig bewirken und niemanden zufriedenstellen. So landen wir wieder bei der Demokratie, die nicht fähig ist das selbst verantwortete Problem zu lösen.

Die Persönlichkeit von erfolgreichen Politikern: Weder ein überzeugendes Programm noch ein verlässlicher Charakter oder Fähigkeit (auch kaum zu beurteilen, wenn es sich nicht um eine Wiederwahl handelt) ist für eine Wahl ausschlaggebend. Narzissmus, autokratische Züge, Skrupellosigkeit, Redegewandtheit, Medien-Professionalität und laute Selbstdarstellung führt zum Erfolg. Nicht wer das beste Programm glaubhaft vertritt, sondern Populisten die sich selber über alle Kanäle zu vermarkten verstehen, haben die besten Chancen gewählt zu werden. Wahlen gewinnt man durch Auffallen und Versprechungen, die den Egoismus und die aktuelle Stimmung bedienen. Sind diese Menschen aber die geeigneten Spitzenpolitiker und Regierungschefs, die das Gemeinwohl im Auge haben?

Comeback der Autokraten         (Bild Cicero online)
Comeback der Autokraten (Bild Cicero online)

Diese Charakter-Eigenschaften sprechen dafür, dass sie sich primär für ihr Ego und Machterhaltung engagieren statt für die Verbesserung des Gemeinwohls. Natürlich braucht jeder Politiker Willen zur Macht, sonst würde er einen anderen Beruf wählen. Wenn aber das Machtstreben und das eigene Ego das oberste Ziel ist, kann keine gute Entwicklung für die Demokratie und das Gemeinwohl erwartet werden. Viele der aktuellen Regierungschefs bestätigen dieses Bild. (Erdogan, Duterte, Netanjahu, Orban, Erdogan, Bolsonaro usw., bis vor kurzem v.a. Trump) Oft entsteht daraus auch ein Personenkult, ganz im Sinne der Populisten. Wenigstens dies ist im Schweizer-System praktisch ausgeschlossen. Wir schätzen diese Charaktere mehrheitlich nicht so besonders, sondern ziehen bescheidenere Schaffer vor.

(Printscreen: zdf
(Printscreen: zdf

Man kann den Politikern nicht vorwerfen, wenn sie die Volksmeinung berücksichtigen, das ist Demokratie, also ist es ein Problem der Wähler? Doch die Aufgabe der Regierung verlangt mehr als nur die Volksmeinung zu übernehmen, die Politik muss auch über den Moment hinaussehen und die grösseren Zusammenhänge im Auge haben und darf nicht auf den Abgrund zusteuern, nur weil der Volksmeinung der Durchblick fehlt oder der Politiker auf die nächste Wahl schielt.  Schon der Soziologe Niklas Luhmann hat gesagt: ökologische Steuerung kann nur über ökonomische Anreize oder Bestrafung funktionieren.

Schluss folgt

27. Juni 2021

 

Gastkommentar von
Peter Flubacher

 

Demokratie

(2. Teil)

 

(Fortsetzung)

Ein 180°-Schwenk nach den Wahlen ist in der Schweiz nicht möglich, ein Vorteil unseres Systems. Aber nach der Abstimmung über das CO2-Gesetz, ein absolutes Minimal-Gesetz für den Klimaschutz, das nicht einmal reicht die vereinbarten Ziele 2030 zu erreichen, bin ich zutiefst beschämt Schweizer zu sein.

(Bild: KGV, Zürich)
(Bild: KGV, Zürich)

 

Schweiz:

Ich war ein absolut überzeugter Demokrat, es plagen mich aber immer mehr Zweifel an der beobachteten Entwicklung der Demokratie, sogar an der direkten Demokratie der Schweiz.

Liegt es an mangelnder politischer Bildung der Bürger oder sind sie durch die Komplexität der Abstimmungen überfordert, müssen doch gelegentlich 100 bis 150 Seiten Erläuterungen gelesen werden? Oder ist es einfach der Egoismus? Was in Diktaturen durch militärischen Putsch stattfindet, kennen wir in Demokratien durch Wähler-Manipulation, d.h. durch geschicktes Ansprechen der niedrigen Instinkte. Nur dadurch, dass diese Entwicklung viel langsamer stattfindet, ist das noch nicht beruhigend. Dass in vielen Staaten Wahlen und Abstimmungen mit Mehrheiten von knapp über 50% entschieden werden, zeigt die Spaltung der Bevölkerung auf. Letztlich entscheidet da der Zufall. Dies ist eine denkbar schlechte Voraussetzung für eine stabile Demokratie und den inneren Frieden.

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Die 12 Rp/Lt Treibstoff, die von der SVP so bekämpft wurden, entsprechen nur ca. 13% der effektiven CO2-Kosten, die eingerechnet werden müssten. Nach meiner Interpretation haben wieder die 3G neben einigen Randbedingungen das Resultat bestimmt. Die SVP mit finanzieller Unterstützung der Öl- und Autobranche, die schon Jahrzehnte diesen Kampf führen, haben das 3G-Motiv meisterhaft und heuchlerisch verlogen (eine 4-köpfige Familie kann sich keinen Mallorca-Aufenthalt mehr gönnen) ausgespielt. Eine Partei, die sich immer für Steuersenkung und gegen soziale Verbesserungen und Mindestlöhne engagiert. Sie zieht es auch vor, für das Pflegepersonal zu klatschen, statt sie angemessen bei vernünftigen Arbeitsbedingungen zu bezahlen. Entweder eine knappe Mehrheit der Bürger sind zu naiv um diese Strategie zu durchblicken oder das 3G-Motiv steht für sie über allem.

SVP-Absimmungsplakat 2017
SVP-Absimmungsplakat 2017

An diesem egoistischen Verhalten ist schon der Kommunismus gescheitert, wird auch der demokratische Kapitalismus daran scheitern? Abgesehen davon, dass diese Aussagen gelogen waren, denn die Massnahmen waren weitgehend eine Lenkungsabgabe, die diesen Familien zugutegekommen wären. Auch die Konzernverantwortungs-Initiative scheiterte am gleichen Motiv. Sicher wissen auch diese Politiker, dass mit dem CO2-Gesetz keine Sozialpolitik gemacht werden kann, dafür ist die Sozialpolitik zuständig, mit vernünftigen Mindestlöhnen und angemessenen Sozialleistungen usw. Sind wir (also eine knappe Mehrheit) so reich geworden wegen der 3G-Sucht oder sind wir so süchtig geworden, weil wir so reich sind? Eines der reichsten Länder stellt sich im Klimaschutz hinten an nach dem Motto: «wir sind für den Klimaschutz solange er uns nichts kostet, das Geld sollen doch andere ausgeben». Sie schwafeln von Eigenverantwortung, Innovationen und Wasserstoff-Technologie, der teuersten ineffizienteste Massnahme, die wir zwar brauchen aber nur ein Teil der Lösung sind. Natürlich brauchen wir innovative Lösungen aber sie werden uns noch viel mehr kosten, als uns dieses Gesetz gekostet hätte, trotzdem werden sie nur immer Teil der Lösung sein, wir haben keine Zeit mehr zu warten. Auch sehen wir Innovationen, die andere wieder zu Nichte machen wie Bitcoin und Blockchain. Sie wollen keine Verbote, keine finanziellen Anreize, unsere Nachkommen sollen sich mit den schwerwiegenden Folgen abfinden, was sie natürlich nur denken nicht sagen.

Geld, Gier und Geiz

In anderen Staaten setzen Politiker für die Wahlen auch auf die 3G bei ihren Wahlversprechen oder der Kritik an den Parteiprogrammen der konkurrierenden Parteien. Das erleben jetzt auch die Grünen in Deutschland. Es kommt bei Wahlen nur nicht so deutlich zum Ausdruck wie bei Abstimmungen, weil dort noch viele andere Faktoren mitspielen. Wer gewählt werden möchte muss diese Karte offenbar spielen.

 

 

Während Diktaturen meistens Probleme schaffen indem sie ihr Völker drangsalieren, sind Demokratien nicht mehr in der Lage die selber verursachten Probleme zu lösen. Mit dem Motiv 3 G, Geld, Gier und Geiz können Wahlen und Abstimmungen gewonnen werden, auch wenn sie jeglicher Vernunft widersprechen, da die von Natur aus egoistischen Menschen dadurch leicht manipulierbar sind. Es zählt der Hedonismus-Faktor, nicht die Zukunft oder das Gemeinwohl. Der persönliche Vorteil bzw. die Vorteile einer speziellen Klientel setzen sich durch, unterstützt vom Geld der entsprechenden Lobby. So haben Politiker, die sich für Veränderungen im Sinne des langfristigen Gemeinwohls einsetzen, schlechte Karten.

Das gilt für Klima und Umwelt oder Verbesserungen für die sozial Schwachen. Da können noch so schöne Ziele formuliert werden, sie werden sich kaum umsetzen lassen. Das bedeutet schlechte Aussichten für die grünen Parteien obwohl sie massiv weniger fordern als sie vernünftigerweise fordern müssten

Bild: explainity
Bild: explainity

 

Sie haben nur eine Chance, wenn sie sich bis zum «geht nicht mehr» verbiegen. Da reicht es höchstens noch für schlechte Kompromisse. Der Wahl-Erfolg einer Partei sagt wenig über die Partei, aber viel über die Wähler aus. Damit hat ein Wandel zur Nachhaltigkeit wenig Chancen. Es ist unbestritten, dass die Marktpreise nur die direkten Kosten, nicht aber alle durch das Produkt und den Vertrieb verursachten Kosten an Umwelt, Klima, Gesundheit usw. enthalten. Das wäre aber Voraussetzung für eine faire und unschädliche Marktwirtschaft.

Es konnte mir noch niemand erklären, warum wir Preise bezahlen, die die versursachten Kosten nicht decken. Es reicht aber schon Angst zu verbreiten, wenn wir einen kleinen Teil dieser Kosten (z.B. 13% der CO2-Kosten auf Treibstoffe) die wir verursachen in die Preise einrechnen, d.h. auch verursachergerecht bezahlen müssen und damit den aktuellen Wohlstand/Überfluss gefährden. Dabei müssten die vollen Kosten (z.B. für CO2 gegen Fr. 200/Tonne, entsprechend einem Treibstoffzuschlag von 90 Rp/Lt.) für einen fairen nachhaltigen Marktpreis enthalten sein.

 

(Bild: Institut für Welternährung
(Bild: Institut für Welternährung

Auf den Mittelstand bezogen handelt es sich dabei eher nur um einen Verzicht auf Überfluss als um eine Gefährdung des Wohlstandes. Im Gegenteil, denn Wohlstand kann nicht nur eine Frage von Geld sein, sondern vielmehr auch einer intakten Umwelt, Biodiversität, einem lebensfreundlichen Klima und einer friedlichen Gesellschaft, die nicht durch extreme Ungleichheit gezeichnet ist. Den meisten Menschen ist die aktuelle Überfluss-Situation, der Besitzstand, wichtiger als diese Faktoren und erst recht als die Lebensgrundlage in 30 Jahren oder in Entwicklungsländern. Nur Diktaturen wären in der Lage, langfristige Probleme des Gemeinwohls inkl. Umwelt und Klima zu lösen, sie werden es aber kaum tun, weil sie Machtziele verfolgen und ihre eigenen Taschen füllen wollen. Was braucht es noch, dass eine Mehrheit einsieht, dass dringend wirksames Handeln geboten ist, wenn die Menschheit akzeptabel überleben will.

Die Kosten die die Allgemeinheit als Folge des Klimawandels zu tragen hat nehmen stetig zu.

Wenn wir jetzt nicht rasch deutlich umsteuern wird es richtig Geld kosten, ob wir wollen oder nicht. Aber der Glaube, dass andere das Problem lösen, seien es Staaten die jetzt harte Massnahmen treffen oder später unsere nachfolgenden Generationen, die neben teuren Massnahmen auch die Folgekosten zahlen müssen, überwiegt.Das Argument der SVP, dass wir Schweizer die Welt nicht retten können ist zwar richtig, berücksichtigt aber nicht, dass jede geographische Kohorte von 8 Mio. Bürgern in der gleichen Situation ist. Nach dieser Logik müsste also niemand etwas tun. Ehrlicher wäre zu sagen, dass wir erwarten, dass die ärmeren Staaten uns retten, damit wir unseren Reichtum weiter vermehren können.

Prof. Dr. Harald Lesch, Astrophysiker (Bild: Uni-München)
Prof. Dr. Harald Lesch, Astrophysiker (Bild: Uni-München)

Denn wir haben einen besonders grossen Konsum-CO2-Fuss-Abdruck, der weit über das Promille hinausgeht, der von der SVP, unter Verschweigung der grauen Emissionen durch Importe, immer angeführt wird. Denn die CO2-Emissionen nehmen parallel zum Reichtum zu, wir konsumieren ein Vielfaches eines Afrikaners oder Inders. Damit sind wir auch für ein Vielfaches an CO2-Emissionen verantwortlich. Wer glaubt denn noch daran, dass wir den Klimawandel noch stoppen können? Wir sind zu spät, die allenfalls getroffenen Massnahmen sind zu schwach. Prof. Dr. Harald Lesch, Astrophysiker, hat es in seinem Vortrag (Teleakademie auf Youtube) in einem Satz treffend zusammengefasst: «Die Menschheit schafft sich ab!»

27. Juni 2021

 

Gastkommentar von
Peter Flubacher

 

Demokratie

(1. Teil)

 

Fukuyama stellte 1992 fest: «Nach dem Fall der Mauer und dem Sieg des Westens ist die liberale Demokratie ohne Alternative und wird sich nach und nach auf der ganzen Welt durchsetzen.»Da hat er sich wohl geirrt! Trotzdem vermag ich keine bessere Alternative zu entdecken. Demokratie wäre eine ideale Regierungsform, wenn die Bürger das Gemeinwohl und nicht nur ihren persönlichen Vorteil vor Augen hätten.

Sie wäre ein zutiefst menschliches System, sie erlaubt die Teilhabe aller Bürger, alle anderen Systeme werden meist durch alte machtgeile Männer bestimmt, nicht selten von Typen der dunklen Triaden. Leider drängen sich auch in «Demokratien» diese Männer in die Top-Positionen (Trump, Bolsonaro, Erdogan, Duterte, Orban, Netanyahu, Maduro usw.) und werden auch noch gewählt.

Schafft sich heute die Demokratie mit demokratischen Mitteln selber ab?

In der repräsentativen Demokratie wählen die Bürger zunehmend Populisten und Möchtegern-Autokraten, in der direkten Demokratie stimmen die Bürger vorzugsweise nach dem 3G-Motiv – Geld, Gier und Geiz – ab. Eine Folge des Neoliberalismus, des modernen Kapitalismus, der zweifellos Wohlstand geschaffen aber auch den Egoismus geradezu gezüchtet hat. Das sind schlechte Aussichten, die eher nach Zerfall der Demokratien aussehen, als nach Stabilität, Solidarität, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit.

(Foto: Tagesspiegel)
(Foto: Tagesspiegel)

Was machen Populisten aus der Demokratie?

Entwickeln sie sich zu Autokratien oder zerfallen sie ganz? Was ist die Alternative? Was ist los mit der Demokratie, wenn immer wieder Möchtegern-Autokraten gewählt werden? Wenn ich richtig beobachtet habe, wählen jene Menschen autoritäre Politiker, die am lautesten nach Freiheit schreien. Sie werden aber mit ihren Politikern die Freiheit, zuerst die Presse- und Meinungsfreiheit, dann nach und nach den Rest verlieren.
Gleichzeitig unterstellen sie den demokratisch gewählten Regierungsmitgliedern diktatorisches Verhalten in der Notsituation, auch wenn das Notstandsgesetz für die Pandemie demokratisch beschlossen wurde.

(Bild: gala.de)
(Bild: gala.de)

USA: Der DLF berichtete am 14.6.21, dass ein Drittel der Republikaner glaubt, dass Trump noch in diesem Jahr wieder als Präsident zurückkehrt, was natürlich nicht möglich ist. Wenn diese Meldung zutrifft stellt sich die Frage:Wie hat es Trump geschafft, sich diese Partei in wesentlichen Teilen hörig zu machen, dass sie sogar Unmögliches, nicht nur Unwahr-scheinliches, glauben Die sind ja völlig irre, sind das alles hochsensible esoterische Verschwörungstheoretiker oder ist Trump ein genialer Manipulator?

Wie soll sich die EU noch auf die USA verlassen können, vielleicht ist in 4 Jahren durch einen Wahlsieg der Republikaner mit oder ohne Trump wieder die Trump-Politik am Ruder. Nicht nur in den USA kann ein Regierungswechsel, der Normalfall in einer Demokratie, eine 180°-Wende bedeuten. Das macht die Zusammenarbeit zwischen Staaten höchst riskant, wie soll da eine langfristige Politik möglich sein.

G7-Gipfel 2021 (Bildscreen zdf)
G7-Gipfel 2021 (Bildscreen zdf)

Der Erfolg der G7 vom Juni 21 könnte schon in 4 Jahren wieder Makulatur sein. Die Republikaner wollen die Schwarzen, die wahrscheinlich demokratisch wählen würden, durch Hindernisse vom Wählen abhalten, wieder ein Totalangriff auf die Demokratie mit möglicherweise verheerenden Folgen. Unabhängig von der Regierung, ob Republikaner oder Demokraten, vergisst auch die USA die Menschenrechte und die Pressefreiheit, die sie so gerne predigen (nicht die Kriegsverbrechen sind in den USA ein Verbrechen, sondern die Wahrheit über Kriegsverbrechen zu veröffentlichen, Assange), wenn sie sich gegen die eigene Regierung richtet.