Zum ersten Teil der Kolumnen "In eigener Sache)
(Sie erscheint in Abständen von ca. zehn Tagen auf der Frontpage der Website)
Zum zweiten Teil der Kolumne "In eigener Sache"
(ab Dezember 2020)
Zum vierten Teil der Kolumne "In eigener
Sache"
(ab Dezember 2023)
22. November 2023
"Uf d'Nase gfloge"
von Peter Züllig
Die „Schlacht“ ist geschlagen. Die National- und Ständeratswahlen sind vorbei. Es gibt Sieger und Verlierer, gute und schlechte. Die Schlechten sind meistens die Verlierer. Sie überbieten sich in Schuldzuweisung. Im bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz, im Kanton Zürich (aber auch in anderen Kantonen), treiben „Nachwehen“ jetzt Blüten. Für die einen ist alles klar: es war die Landbevölkerung, (die Gwaggli), die nicht (in genügender Zahl) zur Urne ging. Für andere sind es natürlich die „Bündnispartner“, die (Gopferdeckel) anderer Meinung waren und (Gopferdelli) auch anders gewählt haben. Oder die Frauen, (die Zwätschge), die eine eigene Meinung haben, und dies auch sagen. Weitaus am häufigsten sind es die «Linken», (die Tschumpel), die nichts anderes als den Wirtschaftsraum Schweiz schwächen möchten. Für einmal sind es aber nicht die Städter (die Halbschue), die unsere Traditionen nicht mehr kennen und weltfremde Träumer sind (jedenfalls lässt sich dieses Argument diesmal statistisch nicht belegen). Aber wer ist es dann (ums Himmelswille)? Wer sind die Schuldigen? Vielleicht die ältlichen Herren, (weit weg vom «Volk»), die an der Spitze von Verbänden und Parteien, die ihre Parolen fassen aufgrund von Statistiken und Machterhaltung (die Tscholi) und in diesem Fall – leider viel zu selten – verloren haben (tüchtig uf d’Nase gfloge sind). (275)
07. November 2023
Sie dürfen...
von Peter Züllig
Sie dürfen sich unten freimachen. Sie dürfen die Kleider hier deponieren. Sie dürfen sich da hinlegen. Sie vermuten nun, ich sei … nein, ich bin nicht in einem Puff, ich bin im Spital, wo ich vorbereitet werde – sozusagen «gerüstet» - für eine Untersuchung an medizinischen Geräten. Sie dürfen hier an die Wand lehnen, Sie dürfen den Arm hochhalten, Sie dürfen tief einatmen… Ich darf – sozusagen im Dreissig-Sekunden-Takt – alles was ich tun muss oder sollte. Die zwei Pflegefachfrauen tun alles, um mich durch den komplizierten «Behandlungspfad» zu lenken, um im richtigen Moment, am richtigen Ort, in der richtigen Stellung zu sein. Dafür «darf ich» dort hin stehen (oder liegen), den Oberkörper freimachen, die Uhr abziehen, meine Faust ballen… Nein, ich muss nichts tun, nur dürfen. Ich darf, selbst wenn der Ton – infolge meiner zunehmenden Verwirrung – immer mehr zum Befehlston wird. Sprachlich bleibt es immer korrekt: ein Dürfen. Auch wenn ich ein Gerät, den Raum oder den untersuchenden Arzt (die Ärztin) verlassen (muss) darf. Vorher aber darf ich die Kleider anziehen und im Wartezimmer noch etwas warten. Auch das muss ich nicht, ich darf, denn ich möchte ja ganz untersucht und wenn immer möglich geheilt werden. Dazu muss ich eben – so meine Erfahrung – immer wieder mal ins «Darf-Imperium» einzutauchen. (274)
27. Oktober 2023
Nur ein Buchstabe
von Peter Züllig
Was im Wahlkampf gesagt und geschrieben wird, verrät hinter oder in der Wortwahl oft mehr, als die edlen Versprechungen und hochtrabende Slogans es vorgeben. Würden sie zwei Nationalräte wählen, die auf dem Flyer feierlich geloben, sich besonders «für ihr Eigentum» einzusetzen? Flüchtig gelesen und nur akustisch registriert: wäre die Antwort für die meisten Wählerinnen und Wähler klar: «Nein!» Wir brauchen keine Nationalräte, bei denen das Eigeninteresse vor dem Gemeinwohl steht. Es ist nur ein Buchstabe – einzig optisch markiert – der das Wahlversprechen auch dem Gemeinwohl zuordnet. Durch das Wörtchen «Ihr» (als Höflichkeitsform in Bezug auf die Wählerinnen und Wähler) wird grossgeschrieben. Nur im Schriftbild sichtbar, sprachlich nicht zu unterscheiden. Es ist die Gesinnung, der politische Schwerpunkt, die Wertvorstellung, die sich dahinter verbirgt. Auf der Rückseite des Werbeprospekts wird dies deutlich: Drei zentrale Anliegen stehen im Mittelpunkt; Schutz des Grundeigentums, Wohnpolitik und Abschaffung des Eigenmietwerts. Da geht es dreimal um Ihr/ihr (gross- und kleingeschrieben) Eigentum. Dies wird noch unterstrichen durch das Schlusswort des Direktors des Hauseigen-tümerverbands: «Der Schutz von Wohneigentum verdient starke Politiker in Bern». So stark, dass ihr/Ihr Eigentum ganz sicher bleibt. (Für Neugierige: der Wahlprospekt hier einzusehen) (273)
Unter einer Decke
von Peter Züllig
Als Sammler habe ich gesammelt. Prospekte, Flyer, Broschüren, Karten, Zettel… Alles Wahlaufrufe, Wahlversprechen, Schlagworte. Sogar eine Zeitung (16 Seiten) ist dabei. Eine Zeitung, die in
allen Haushalten landete. Am liebsten hätte man Ausrufer mitgeschickt, wie sie früher an grossen Bahnhöfen lautstark aufgetreten sind: «Extra Blatt – Stau auf den Strassen, Asyl-Chaos,
Versorgung in Gefahr…!!!». Diese Tradition ist verschwunden, jetzt müssen dicke, fette, Schlagzeilen genügen: «teuer, gefährlich, ungerecht». Eine Schweiz: verkürzt in Schlagzeilen, Themen
wild gemischt: vom verbotenen «Mohrenkopf, über den Verlust von Ackerland bis zur Mär vom Fachkräftemangel». Kurz gesagt: ein Saustall, die Schweiz. Dabei wird im gleichen «Extrablatt» zwanzigmal
von der «schönen Schweiz» gesprochen, die natürlich nur durch die SVP zu retten ist. Und wer trägt an all dem Elend die grösste Schuld? Die Asylanten: im ersten Bund der Zeitung (4 Seiten) werden
sie fünfzigmal erwähnt, meist begleitet vom etwas neutraleren Wort «Zuwanderer», oft unterstützt von Pauschalverunglimpfungen wie «Asylschmarozer». Das Wort «Freiheit» taucht zwanzigmal auf,
«Zukunft» in jedem der 21 politischen Glaubensbekenntnissen, gleich mehrmals, aber immer ohne Lösungen anzubieten. Ich kann mich nicht erinnern, in den letzten Jahren ein ähnliches schmuddeliges,
unappetitliches, beleidigendes Pamphlet einer grossen Schweizer Partei erhalten zu haben. Auch vor Wahlen nicht. Ich bin persönlich beleidigt, fühle mich aufs unflätigste beschimpft, als
Vollidiot hingestellt. Denn ich wähle (auch deshalb) nicht SVP. Und doch bin ich Schweizer (was mir rundweg abspricht), stehe für Sicherheit ein, engagiere mich für die Erhaltung eines Klimas,
das für alle lebenserhaltend ist, wehre mich gegen die Verbetonierung der Landschaft, sage niemandem, was zu essen und zu trinken ist.. Ich habe keine Lösung für viele der Probleme, aber
ich helfe nach Lösungen zu suchen und stelle nicht Schuldige an den Pranger: Asylanten, Zuwanderer, und alle, die nicht SVP wählen, angeblich «unter einer Decke
stecken». (272)
KD
von Peter Züllig
Es gibt nicht nur «KI» (künstliche Intelligenz). Es gibt auch – und zwar noch viel häufiger – die «KD», die künstliche Dummheit. Doch davon spricht man nicht oder nur sehr selten. Der Computer, Grundlage und Täter von KI-KD, handelt nicht anders als der Mensch, nur etwas schneller, raffinierter, voluminöser, denn jeder seiner Schritte wurde ja (irgendwann) von Menschen programmiert: intelligent oder dumm. Hier ein monatliches, inzwischen halbjährliches Beispiel: Vor vier Jahren war ich einmal Holzkirchen. Holzkirchen? Ein Ort, in der Nähe von München. Nur ein einziges Mal habe ich in einem Hotel dort übernachtet, weil ich die Aufführung in einem Kleintheater besuchte. Seither bekomme ich regelmässig das «günstigste» Angebot vom «schönen Holzkirchen», wo ich doch so gut und billig übernachten könne. KI oder KD? Soeben habe ich, für die Katze meiner Nachbarn, die ich ab und zu hüte, Futter gekauft. Natürlich das richtige, gewohnte, das leider im Geschäft, wo ich regelmässig einkaufe, aus dem Sortiment genommen wurde. Also suchte ich ein Angebot in der Nähe, natürlich per Computer. Es vergeht kein Tag, da bekomme ich Katzenfutter-Offerten en masse. Die Katze frisst längst wieder beim Nachbarn. KD. Kürzlich ging ein Küchengerät in Brüche. Ich erkundigte mich - per Computer – nach einem neuen und kaufte es sogleich (auch per Computer). Seither werden mir Angebote für Küchengeräte «angespuckt», auch dieselben, die ich soeben gekauft habe. I KD. Ob Kurort, Katzenfutter oder Küchengerät, immer ist die KI – ob gefragt oder ungefragt – unglaublich aktiv. Das Ergebnis – nebst Belästigung – eine Begegnung mit KD, programmierter Dummheit. (271)
Sie wurden ausgewählt!
von Peter Züllig
Ich? Ausgewählt? Schon wieder? Von wem? Fragen um Fragen. Soll ich einen «Klick» wagen? Oder mir den «fantastischen Preis» entgehen lassen? Schon ist er da, ein «Dank». Wofür? Die Antwort kommt computerwendend: «Ihre Versandanfrage Nr. 000444306573947, jetzt bestätigen» Meine Versandanfrage? Ich habe weder irgendwo noch irgendwen, irgendwas angefragt. Doch ist ganz klar, was ich zu tun habe: «Jetzt bestätigen!» Was zu bestätigen ist, steht nicht da. Bestätigen genügt. «Es dauert nur eine Minute, bis Sie diesen fantastischen Preis erhalten». Jetzt ist wenigstens ein Bild da, von «diesem fantastischen Preis». Ein «Ninja Air Fryer, brandneu, jetzt loslegen» Was muss ich legen? Los, los, los…! Es ist die x-te ähnliche Nachricht an einen «Ausgewählten» oder gar «Auserwählten». Gestern lockte (im gleichen Look) «Lidl» mit einem fantastischen Preis, irgendetwas zum Essen, glaube ich. Und schon trudelt die nächste Botschaft ein. Diesmal in Gelb, gross gekennzeichnet. Aber, warum schreiben die mir englisch? Unsere Post im Dorf – da wird Deutsch gesprochen - wurde geschlossen. Haben sie die Dienstleistung nach England verlegt? Oder gar nach Hongkong, in ein Call-Center? Soll üblich sein, zeitgeistig, rentabel. Mein Paket könne nicht zugestellt werden. Die Adresse sei unvollständig, so habe ich es jedenfalls verstanden. Gestern war eine Sendung zu wenig frankiert. Zwei Franken fünfunddreissig koste es noch. Aber subito, sonst geht sie zurück, die Sendung. Nur, ich erwarte weder ein Paket, noch habe ich etwas mit Frankatur der Post übergeben. Während die Postvariante noch leicht als Fake zu erkennen ist, sind die Auserwählungsbotschaften eine widerliche Sache. Eine Schlangenfängerei. Lästige, ja gemeingefährliche Trolle einer wildgewordenen Werbeindustrie. Jetzt bin ich es, der auswählt. Meine Auswahl: nie mehr ein Produkt – oder eine Firma – berücksichtigen, welche auf diese Art Hausfriedensbruch begeht. (270)
Und der Heuwagen, der rollt...
von Peter Züllig
Strohballen auf dem Wagen, nicht Heu. Darauf sitzen zwei Repräsentanten der Politik, die seit Jahren unermüdlich verbales Stroh
dreschen. Auch dann, wenn sie nicht auf diesem Wagen sitzen. Aber vor Wahlen setzen sie sich gerne hinter das hohe Ross und tun so, als wären sie Bauern. Es sind aber „feine Leute“, Politiker,
die so gerne Strippen ziehen. Unternehmer, Millionäre, die in Villen wohnen, ihre Hände höchstens in der Politik schmutzig machen und es mit der Wahrheit nicht allzu ernst nehmen. Wichtig ist,
„dass der Wagen rollt“, nicht über „Berge, Wiesen und Matten“, aber bekränzt mit „leuchtendem Ährengold». Sie ruhen nicht «im Schatten, denn der Wagen, der
rollt».
Jetzt bloche(r)n sie also durch die Arena. Bejubelt von Getreuen. In einer Show, bunt und schrill, dem Wahlzirkus der Amerikaner
abgeguckt. Deplatziert, unehrlich, verlogen wirkt fast alles, von der Auffahrt der Machthaber, über die Sägemehlringe für die „stakten Mannen“, den
zwei grossen Schweizerfahnen, und die Alphütte – die vorgibt, der „Alpöhi“ sei hier zu Hause – aber vorwiegend smarte Parolen-Drescher auftreten. Grundton: „Schweizer wählen SVP“. (Implizit
heisst das: Alle anderen sind eben keine Schweizer).
„Zeitgeistig, wunderbar!“, hat der Parteipräsident ins Mikrofon gehaucht. So ganz wohl war ihm offensichtlich nicht dabei. Auch Frauen und «junges Volk im Reigen, tanzen um die» lauten Parolen herum. «Wirbelnde Blätter im (künstlichen) Winde, es jauchzt und lacht und tollt». Es ist kein Hüttenfest – vielmehr der Wahlauftakt einer Partei, die sich so selbst inszeniert. In einer – bis in die Reden hinein – künstlichen, weltfremden Welt. «Ich bliebe so gerne bei» einer Schweiz der Wirklichkeit, «aber der Wagen, der rollt.“ (269)
Freundlichkeit ist eine Zier...
von Peter Züllig
«…weiter kommt man ohne ihr." So die fragwürdige Erkenntnis eines geläufigen Sprichworts. Sie beruht wohl auf den zweifelhaften Erfahrungen im Konkurrenzkampf des Lebens. Freundlichkeit schafft Raum, Vertrauen, Wohlsein, verbannt hingegen Enge, Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit. Ein bewährtes «Geschäftsmodell» im täglichen Umgang mit Menschen, würde man glauben. Ist es die zunehmende Automatisierung (Automaten müssen nicht höflich, nur korrekt sein), welche immer mehr Freundlichkeit aus dem Alltag vertreibt? Besonders auffällig ist dies im Detailhandel. Die Unfreundlichkeit, ja Unhöflichkeit in Geschäften, im «Laden», nimmt zu, Kaufen wird immer häufiger zur Qual. Eine Erfahrung, die mich dazu gebracht hat, eine «Streichliste einzuführen, nicht zu verwechseln mit einer «Streichelliste» (was in etwa das Gegenteil wäre). Wer auf dieser – meiner ganz persönlichen – Liste landet, der hat mich als Kunde verloren. Nein, König – eine veraltete Vorstellung – will ich nicht sein. Aber auch nicht von desinteressierten, mürrischen, brummigen, unhöflichen Personen bedient werden. Kaufen und Verkaufen ist ein «Handelsgeschäft». Auch da gibt es eine professionelle Freundlichkeit. Sie steht weit über jedem Automaten, ist eine Zier und straft das Sprichwort Lüge: «weiter kommt man nämlich mit ihr!» (268)