Zum ersten Teil der Kolumnen "In eigener Sache)
(Sie erscheint in Abständen von ca. zehn Tagen auf der Frontpage der Website)
Zum zweiten Teil der Kolumne "In eigener Sache"
(ab Dezember 2020)
Zum dritten Teil der Kolumne "In eigener
Sache"
(ab Dezember 2023)
FIGUGEGL
von Peter Züllig
Dieser Werbespruch ist – glaube ich – jedem Kind in der deutschsprachigen Schweiz bekannt: «Figugegl - Fondue isch guet und git e gueti Luune“. Mir hat es aber die «gute Laune» gründlich verschlagen, als ich im dörflichen Volg («Aus Liebe zum Dorf, wo der Bauer…») eine Fonduemischung kaufen wollte. Keine «Fertigmischung», wo die Käse bereits flüssig ist, vakuumverpackt, gemischt und gewürzt – ohne speziellen Aufwand -eben massenverkäuflich. Ich wohne in einem Dorf, das bereits deutliche Stadtallüren zeigt, aber noch einen Dorfladen hat, in dem der Käse noch richtig stinken darf. Hier kaufe ich ein, weil ich die Nähe zum Laden, «frisch und fründlich», zum Personal und nicht zuletzt auch zu den landwirtschaftlichen Produkten («frisch») schätze und dafür auch bereit bin, bis zu fünfzig und mehr Prozent mehr zu bezahlen, als im nahen Discounter, wo die Kunden «für AL DI rechnen können». «Volg», so habe ich gelesen (und geglaubt), steht der Schweizer Landwirtschaft sehr nahe: «nah, bequem, überschaubar». Da erwarte ich zumindest auch eine klein wenig Landwirtschaft. Zum Beispiel eine kleine, aber gut bestückte Käse-Ecke. Die gab es auch, in unserem «Volg», wo ich einst noch die Zutaten zu meinem selbstgemachten Fondue kaufte. Die Käse-Ecke und viele landwirtschaftliche Produkte («direkt vom Bauer»), sind verschwunden oder discounterlike verpackt. Wohl weil man die Post («oh heilige, hochsubventionierte Landwirtschaft!)» im relativ kleinen Dorfladen einquartierte wollte. Keine voll funktionierende Post ist es nicht geworden, eine abgespeckte. Dafür mussten andere Produkte, auch die Käse, abgespeckt und in viel Plastik erstickt werden. Entgegen dem öffentlichen Gelöbnis darf es «nicht mehr stinken». Dafür stinkt es mir weiterhin im Dorfladen einzukaufen. FIGUG-K-GL. Ach, so ein Käse! (302)
Leichenfledderei
von Peter Züllig
Es waren keine Leichen und trotzdem wurden sie gefleddert, ausgeraubt. Ihr Leben besteht «nur» aus kulturellen Werten. Energien, die meist über viele Jahre – meist in anderen Zeiten – gesammelt und bis heute vermittelt werden. Jetzt halten sie dem Druck des Geldes – Gewinnoptimierung – nicht mehr stand. Sie werden eingestampft oder – noch schlimmer – umfunktioniert. Zwei Beispiele seien hier (stellvertretend) genannt. Eine Zeitschrift, Symbol des Widerstands, des kritischen Denkens, des feinen Ausdrucks gegen einen tödlichen Zeitgeist (der auch die Schweiz zu überrollen drohte). Das Markenzeichen «Nebelspalter», das älteste Satirenblatt der Welt. Die Zeitschrift rentierte lange Zeit nicht mehr und war zu kaufen und beliebig auszurauben. Ausgerechnet durch einen Journalisten mit bekannter «rechtsbürgerlichen» Ideologie, lanciert von Macht, Geld, Ewiggestrigem und unverblümtem Denken in Kategorien der Wohlhabenden und Besitzenden. Abkehr eines Satirenblatts von der Satire, hingelenkt zur ideologischen Welterklärung. Leichenfledderei.
Das zweite Beispiel hat eher mit Geld zu tun. Mit der Unfähigkeit, ein kulturelles Erbe als das anzunehmen, was es ist: wertvoll. Allerdings lässt sich auch dieser Wert nicht sofort (und auch
nicht immer) in nackte Bilanzen einzuplanen. Dort, wo der «grosse Reibach» ausbleibt, wird entweder nach öffentlicher Unterstützung (Subventionen!) geschrien oder aufgegeben. Doch auch kulturelle
Werte lassen sich (bei genügender Überzeugung und Wertschätzung) vermarkten, rentabel zu machen. So auch die «Öpfelchammer» am Rindermarkt in Zürich,
die - sozusagen über Nacht - geschlossen wurde: Unrentabel, Schulden, nicht mehr zu «stemmen». Wer der «Versager» ist, die Mieter, der Vermieter, «Corona», die Lage, der Zeitgeist, die Umbauten?
Das tut eigentlich nichts zur Sache. Die «Öpfelchammer» gehört zu den ältesten Gaststätten der Stadt. Ein «Traditionslokal», umrankt von Legenden und Traditionen, verbunden mit Gottfried Keller
(1819-1890), dem berühmten Schweizer-Schriftseller («Der grüne Heinrich») Die «Öpfelchammer» wurde nicht nur von Keller aufgesucht, sondern hat auch während zweihundert Jahren «rentiert»,
den Besitzern und Betreibern – allein schon durch die Lage der Liegenschaft - Einkommen und Wohlstand gebracht. Doch das sind Werte, die nicht in Bilanzen auftauchen. (höchstens bei den Steuern).
Anstatt den kulturellen Wert zu hegen und pflegen, ist eine Umnutzung einfacher rentable. Kulturelle Werte werden ausgeklammert und vernichtet. Zwangstod.
Leichenfledderei.
(301)
S'Buebetrickli
von Peter Züllig
Jeder Bueb – inzwischen auch jedes Mädchen – kennt es, noch bevor sie richtig auf den Schlittschuhen stehen können: S’Buebetrickli. Damit kann – mit etwas Glück und Behändigkeit - jeder Goali
überrascht und überlistet werden. Eigentlich ist es ein verblüffend einfacher Spielzug im Eishockey, von dem sich selbst der versierte Torhüter hütet und die Möglichkeit immer im Auge behält.
Inzwischen haben Unternehmen im Alltag, im Umgang mit Kunden und im Bestreben, die Gewinne zu optimieren, das «Buebetrickli» geradezu verinnerlicht. Ein legitimes Spiel, das auf dem Sportfeld
zwar den Regeln entspricht, aber eher abschätzig und als sehr plump bewertet wird. Jeder Torwart ärgert sich (weil er das «Buebetrickli» bestens kennt und die Abwehr immer wieder geübt hat), wenn
er durch diesen Spielzug überlistet wird. Leider gibt es ihn nicht nur auf dem Spielfeld. Viel häufiger noch dort, wo es darum geht, Partner auszutricksen, die in Dienstleistungs-Betrieben,
eigentlich «geschätzte Kunden» sein sollten. Die Post und die Bahn sind absolute Meister dieses Spielzugs - seit Jahren. Weil es da keine festen
Regeln gibt. Das geht so: Zuerst werden die Öffnungszeiten im Kundenverkehr so eingeschränkt, dass sie dem heutigen Lebens- und Arbeitsrhythmus nicht mehr gerecht werden. Dann werden die
Möglichkeiten (in einer immer komplizierteren Welt) immer stärker eingeschränkt. Alles wird "verschlankt" und vereinfacht. Rasch einmal genügen Technik, Ausbildung und Flexibilität nicht mehr.
Auch einfachste Dienstleistungen und berufliche Anforderungen werden «ausgelagert». Der «Verkauf» von Dienstleistungen, der Kontakt mit Kunden wird marginalisiert: Die Kunden werden auf
Dienstzentren und Automaten (Computer) verwiesen. Fazit: Zu wenig Kunden am Schalter, «es rentiert» nicht, die «Lebensgewohnheiten haben sich halt geändert». Schalter und Dienststellen werden
reihenweise geschlossen. Ein klassisches "Buebetrickli", das nicht (oder zu spät) erkannt wird. Nur, die Kunden werden dadurch nicht bloss unfair überlistet, sondern gründlich verarscht, weil
Dienstleistungen mit Toren (wie auf dem Sportfeld) gemessen
werden.
(301)
Stammtisch
von Peter Züllig
Es gibt ihn zwar noch, den Stammtisch. Jenen runden Tisch, wo sich täglich Stammgäste treffen, um ihre Befindlichkeit in der (meist misslichen) Weltlage zu besprechen. Es gibt da – trotz sich
rasch entwickelnder Themenvielfalt - drei dominierende Bereiche, Themen, die immer wieder auf oder unter den Tisch geschoben werden: Sport, Schule und Militär. Militär ist ein Auslaufthema, bei
älteren Stammgästen aber noch sehr beliebt. Sport dominiert, weil da (fast) jeder mitreden kann, ob jung oder alt, ob männlich, weiblich oder bisexuell, ob wissend oder naiv… Es gibt seit einigen
Jahren, eine Flut von Stammtischen. Sie sind nicht mehr rund und haben viele, viele (unsichtbare) Stühle. Sie nennen sich Leserspalten. Wer genau hinschaut, der trifft da – fast wie in der Beiz –
immer wieder die Personen, die gleichen Namen. Vor allem, wenn ein Fussballmatsch ansteht – gar ein Länderspiel, wie heute Abend. Da müssen viele leere Stühle herbeigeschafft werden. Morgen sind
sie dann alle besetzt, wie vor fünf Tagen, als sie Schweiz "null zu zwei" verloren hat. 140 Leser oder Leserinnen waren es, die sich zu Wort gemeldet haben. Wenn man genau hinschaut, sind es
nicht 140 Stammgäste, viel, viel weniger. Die gleichen Namen tauchen immer wieder auf: Sie reden zwar miteinander, aber fast immer aneinander vorbei. Das tönt dann etwa so: «Das war ja
schlimmer als bei YB…» Tja, die besten Jahre der Nati liegen nicht nur Jahre, sondern Lichtjahre hinter uns…» «Eine bodenlose Frechheit, was diese Grottenkicker zusammenspielten…» «Es läuft viel
gegen uns…» «Wie gemein - alle sind gegen die Schweiz und wollen sie besiegen...» Das geht nun so weiter... Endloses Geraspel: Ansicht, Einsicht, Durchsicht… Morgen, nach dem neuen Spiel die
gleichen Stammgäste, die gleichen Kommentare oder – je nach Ausgang – das das pure Gegenteil. Schliesslich treffen sich hier die Stammgäste mit Übersicht, ab und zu auch mit Einsicht:
«Viele, die hier schreiben, befassen sich gar nicht mit Fussball, sondern möchten einfach ihren Frust des täglichen Lebens loswerden...» Um dann doch noch in echten
Stammtisch-jargon zu verfallen: "ähnlich wie der Reporter beim Schweizer Fernsehen...»
(300)
Bedürfnisanstalt
von Peter Züllig
Eine Anstalt ist es nicht. Auch kein übel riechender Ort. Schon eher ein hochvornehmer Ort. Viele weissgekleidete Leute. Ein Ort, wo Menschen hingehen, wenn sie Schmerzen haben, wo sie Linderung
suchen, ja Heilung. Das Personal, adrett, superhygienisch gekleidet weiss das, kennt die Bedürfnisse: «Sie dürfen Platz nehmen», «sie dürfen sich oben ausziehen», «sie dürfen die Kleider hier
ablegen», «sie dürfen mit mir kommen», «sie dürfen hier hin stehen», «sie dürfen die Schuhe ausziehen», «sie dürfen tief atmen», «jetzt dürfen sie wider ausatmen», «sie dürfen sich wieder
anziehen», «sie dürfen hier warten», «sie dürfen den Oberarm freimachen», «sie dürfen eine Faust machen», «sie dürfen…», sie dürfen…», «sie dürfen am X.X. wiederkommen». Wo bin ich da hingeraten?
So vielen meiner ausgesprochenen oder unausgesprochenen «Bedürfnissen» wurde noch nie – in so kurzer Zeit – stattgegeben, seit meiner frühsten Kindheit nicht.
Richtig, ich war heute in einer Arztpraxis, vollgestopft mit all dem, was ich darf, nicht - wie sonst üblich - was ich muss. Seit dieser Erfahrung weiss ich, es gibt nicht nur die
Bedürfnisanstalt, es gibt auch die Bedürfnispraxis. Bitte nicht verwechseln!.
299
Es lohnt sich nicht...
von Peter Züllig
Eine allgegenwärtige Begründung, um den persönlichen Einsatz, um ein besonderes Engagement, zu messen (in den meisten Fällen sogar zu vermeiden): Es lohnt sich nicht. Sie orientiert sich an der
Rendite, was so viel bedeutet wie am Ertrag und Gewinn. Das übliche Mass ist das Geld oder ein Wert, der mit Geld gemessen werden kann. Es ist der Betrag, der investiert wurde und der Betrag, der
(unter dem Strich) wieder herauskommen muss. Im Bereich der Energiegewinnung ist diese «Milchbüchlein»- Rechnung «gang und gäbe». Ich höre und lese und sehe sie mehr als einmal am Tag. Eine
PV-Anlage (Photovoltaik) auf dem Dach: lohnt sich nicht (zu klein die Fläche). Sonnenkollektoren (Solarthermie) für warmes Wasser:
lohnt sich nicht (zu aufwendig und unsicher im Winter). Bäume stehen lassen oder gar neue pflanzen (um CO₂ zu binden und Sauerstoff zu bilden): lohnt sich nicht (zu aufwendige
Bewirtschaftung und potenzielle Gefahr im Wohngebiet). Windräder zur Stromgewinnung: lohnt sich nicht (Verschandelung der Landschaft und enorme Unregelmässigkeiten). Öffentlicher Verkehr: lohnt
sich nicht (zu langsam, zu umständlich, zu teuer). Die Liste wäre noch (fast endlos) zu erweitern: lohnt sich nicht (denn es geht hier nicht um präzis
messbaren Aufwand und Ertrag). Es geht vielmehr um Einstellung und Einsicht. Sie lohnen sich! Vor 45 Jahren habe ich Sonnenkollektoren am (damals) neuen Haus anbringen lassen (inklusive Speicher
im Keller). Der Boiler ist ohne elektrische Erwärmung (im Notfall funktioniert ein Wärmetauscher mit der Heizung). Und siehe da: es hat sich gelohnt
(auch rechnerisch). Seit etwa drei Jahren ist zudem eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Die elektronische Registrierung meldet (Durchschnittswert ohne Berücksichtigung des Standorts und der
individuellen Umrechnungswerte): Es wurde in dieser Zeit so viel Kohlenstoffdioxid vermieden, wie 607 Bäume CO₂ in Sauerstoff umwandeln würden. Es lohnt sich doch!
298
Züchtung von Wutbürgern
von Peter Züllig
So züchtet man Wutbürger. So lernt man nichts aus der Geschichte. So setzt man sein eigenes Weltbild durch, sobald man an der Macht ist. So wird mit kaltem Lächeln ideologische «Turbopolitik»
gemacht. Bundesrat Rösti ist gerade daran, dies zu tun. Gründlich. Mutwillig. Ohne Not oder direkten politischen Zwang. Ein Blick auf die bedeutendsten gesamtschweizerischen Abstimmungen der
letzten Jahre zeigt: Da wurden viele – allzu viele – mit knappem Abstand gewonnen oder verloren worden (je nach Standpunkt). Mit anderen Worten: Oft bestimmt eine verschwindend kleine Mehrheit
von Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Meinung an der Urne kundtun, was fortan zu gelten hat. Direkte Demokratie, nennt man dies. Die Schweiz – gerade die Schweiz – ist so stolz auf diese
Errungenschaft. Eine Mehrheit ist eben eine Mehrheit und eine Minderheit, eine Minderheit. Auch wenn es nur ein paar hundert, ein paar Tausend Stimmen sind. Ein Willensakt, zwar nicht für die
Ewigkeit, aber für die politischen Regeln der nächsten Jahre. Das wird kaum infrage gestellt, auch nicht von den Unterlegenen. Schliesslich kennen wir die Regeln der Demokratien. Stolz,
Brustklopfen! Auch wenn die einen «siegen» gibt es eine Minderheit, die immer wieder fast so gross ist wie die Mehrheit. Nicht ganz, aber fast und deshalb verloren hat. Doch, sie (die Minderheit)
ist nicht weggefegt, verschwindet nicht in der Inexistenz. Sie ist Teil einer funktionierenden Demokratie. Doch wenn sie ausgetrickst, erschlagen, negiert, betrogen wird, entstehen aus Bürgern
«Wutbürger», die versuchen, einen geordneten politischen Ablauf zu stören, boykottieren oder ihn auszuhebeln. Wutbürger sind die Antwort auf einen von ihnen empfundenen Betrug. Bundesrat Rösti – und eine Mehrheit der ehrfürchtig nickenden Bundesratskolleginnen und
-kollegen – sind gerade daran, Wutbürger zu züchten und damit die Demokratie – eine der ältesten – zu zerstören.
297
09. SeptEmber 2024
Die Entwicklung
von Peter Züllig
Vor 55 Jahren, am 9. Dezember 1969, ging das Atomkraftwerk Beznau I, nach gut vier Jahren Bauzeit ans Netz. Als junger Journalist war ich für das Schweizer Fernsehen mit einer Filmequipe dabei. Ich war begeistert, denn die Technik versprach: mehr Energiegewinnung, saubere Quelle, konstante Leistung, günstiger Strompreis… Der kleine Albert (Rösti) in Frutigen war gerade 28 Monate alt.
In der Folge habe ich noch einige Male als Reporter über die neu geschaffene Technik der Stromgewinnung berichtet. Die anfängliche Euphorie ist allmählich in Nachdenklichkeit übergegangen: radioaktiver Müll, Strahlungsrisiko, Abhängigkeit von Uranlieferanten (unter anderem Russland)… Probleme, die es rasch zu lösen gilt. Ansätze, Versprechen, Warten… Derweil wurden AKWs munter weitergebaut: Beznau II (fertiggestellt 1971), Gösgen (1979), Leibstadt (1985).
1975 formierte sich der Widerstand gegen ein weiteres (bereits bewilligtes) AKW in Kaiseraugst. Ich war wieder vor Ort. Der damalige Direktor vom AKW Beznau, Kurt Küfer, sagte vor der Kamera: «Bei der Einlagerung von radioaktiven Rückständen müssen zwei Komponenten gelöst sein. Eine technische und eine politische, psychologische. Die technische ist weitgehend gelöst. Was wir noch lösen müssen, ist die politische, psychologische Seite von diesem Problem.» (Das Filmdokument). Dies war 1975. Albert in Frutigen musste bald einmal in die Schule, er war fünf Jahre alt.
1979 ereignete sich in Harrisburg (USA) ein grosser Reaktorunfall, der noch knapp entschärft werden konnte. 1986 dann die grosse AKW-Katastrophe in Tschernobyl (Ukraine) mit schrecklichen Folgen. 1989 wurde das Projekt Kaiseraugst eingestellt. Albert in Frutigen war 20 Jahre alt, Student.
2011, Nuklearkatastrophe in Fukushima (Japan). Aus Albert in Frutigen ist ein 45-jähriger Politiker geworden. Das Müllproblem aber harrt noch immer
auf eine Lösung. Tausendmal angekündigt, versprochen, gelobt, weggeschoben. Gut 50 Jahre lang. Albert ist jetzt Bundesrat: «Die Zeiten haben sich
geändert, das Verbot neuer AKWs in der Schweiz (2017 mit 58 Prozent der Stimmen gutgeheissen) muss aufgehoben werden». Albert aus Frutigen hat sich – nach 57 Jahren - zum ideologischen «Diktator»
gewandelt, der sich um Volksentscheide, bundesrätliche Versprechen und ein gutes Stück AKW-Geschichte foutiert.
(296)
30. August 2024
Nein Danke!
von Peter Züllig
Die aktuellen Themen für die Kolumne prasseln nur so auf den Schreiber ein: Olympiade, Biodiversität, Falschberechnung der AHV, Altersarmut. Aber auch ganz persönliche Dinge, Gesundheit,
Spitalerfahrung, und natürlich der ungewöhnlich heisse Nachsommer. Doch einer hat es geschafft, dass ich all die angedachten und zum Teil schon formulierten Themen liegen gelassen habe: der
Bundesrat. Wie die NZZ schreibt: die Rehabilitierung der AKWs. Es ist alles andere als eine «Rehabilitierung». Es ist ein Hauruck-Akt, wie Ideologie eine Demokratie zertrümmert. In den gleichen
Hauptausgaben der Tagesschau von SRF (28. August 2024), in der die Kehrtwendung betreffend neuer AKWs von Bundesrat Albert Rösti (SVP) öffentlich verkündet wurde (Beitrag 3.34 Minuten, an der
Spitze der Sendung) orientiert die Internationale Atom Energie Behörde (IAEA), dass das AKW in Kursk (Ukraine) in grösste Schwierigkeiten geraten könnte, Zitat: «Die Lage sei dramatisch
ernst». Kursk liegt 2000 Kilometer (Luftlinie) von Bern entfernt, wo Albert Rösti seine Ideologie der AKW-Machbarkeit lächelnd präsentiert
(sanktioniert von einer Mehrheit an Bücklingen im Bundesrat). «Die Situation sein eine andere geworden» und erwähnt den nahen Krieg in Europa. Schizophrener kann ein Bundesrat kaum vor die Presse
treten und gleichzeitig mutwillig das Vertrauen in den Bundesrat (und die Werte der Demokratie) zerstören. Das hat nichts mit Versorgungssicherheit zu tun, als vielmehr mit Manipulation und
Missachtung politischer Entscheide. Nein Danke!
(295)
07. August 2024
Künstliche Intelligenz und
menschliche Dummheit
von Peter Züllig
Da hat man in den 70er Jahren – mit viel Intelligenz – einen Ferienort am Mittelmeer gebaut. Die Autos müssen (weitgehend) draussen bleiben. Ein ausgedehnter Parkplatzgürtel steht den Gästen zur
Verfügung. Doch die Gier, grösser, noch grösser zu werden, knabbert immer mehr an den Parkplätzen. Erweitern kann man sie kaum, den jenseits des Gürtels sind längst neue, grössere Bauten
entstanden. Also werden Schranken aufgestellt und die Plätze während der Saison bewirtschaftet. Doch dies löst das Problem nicht. Im Gegenteil: die Zu- und Wegfahrt der immer knapperen
Abstellplätze wird erschwert und verlangsamt. Dazu kommen die Schwierigkeiten beim Auslösen der Autos: unterschiedliche Kreditkarten, mangelndes Sprachverständnis, zu wenig Kleingeld, defekte
Apparate, Vandalismus… Angesichts dieser Misere hat man eine neue Idee: KI, künstliche Intelligenz. Die Autonummer wird nun bei der Einfahrt von einer Kamera erfasst, registriert und der Betrag
bei der Ausfahrt auf der Kreditkarte abgebucht. Doch dies funktioniert – vor allem bei ausländischen Nummern - miserabel. Etwa bei jedem zehnten Auto öffnet sich die KI-gesteuerte Schranke nicht:
Rückstau! Da auch das letzte Plätzchen belegt ist, die Autos kreuz-und-quer gestellt sind, läuft das Zeitlimit zur Ausfahrt immer wieder ab. Ein unvorstellbares Chaos entsteht. Abend für Abend.
Verzweifelte KI-Lösung: Ein Barrieren-Wärter vor Ort – mit natürlicher Intelligenz – öffnet immer - wie einst - die lästige Schranke (oder lässt sie gleich offen!)
(294)
29. Juli 2024